
Filmreihe
Die Jahre danach
Montag, 24. Oktober 2016 - Dienstag, 8. November 2016, ab 19.00
Kino in der Pumpe, Haßstraße 22, 24103 Kiel
Montag, 24. Oktober 2016 - Dienstag, 8. November 2016, ab 19.00
Kino in der Pumpe, Haßstraße 22, 24103 Kiel
Die Reihe mit Verbotsfilmen aus der NS-Zeit gibt Zeugnis nicht nur von den menschenverachtenden Denkmustern und Wert vorstellungen der Nationalsozialisten; sie spiegelt auch die fatale Entwicklung von der euphorisch-zuversichtlichen Aufbruchstimmung in Hitlerjunge Quex, der doch schon die furchtbarsten Ideologeme eingeschrieben waren, bis zum todesverachten- den Untergangswunsch in Kolberg.
Was aber folgte darauf? Wie knüpften Filmemacher, Produktionsfirmen und die Kontrollbehörden der Alliierten an ein Filmschaffen an, das in seinen größten künstlerischen und produktionstechnischen Anstrengungen immer im Dienst von Rassenhass, Antisemitismus, Faschismus und Kriegstreiberei stand? Welche Filme wurden für ein Publikum produziert, das die vergangenen zwölf Jahre kaum etwas anderes als Propaganda auf der Kinoleinwand gesehen hatte? Unsere Filmreihe »Die Jahre danach« wirft einen Blick auf diese sensible Phase deutscher Filmgeschichte der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die Hochphase des Kalten Krieges. Die Filme spiegeln damit nicht zuletzt sich wandelnde Konzeptionen von »Schuld«, »Verantwortung«, »Aufarbeitung« und »Neubeginn« – und es ist kaum verwunderlich, dass sich die entsprechenden Positionen in Ost und West zunehmend unterscheiden.
Montag, 24. Oktober 2016 – 19.00 Uhr
Wolfgang Staudte, D 1946 (DEFA), 85 Minuten
Mit Ernst Wilhelm Borchert, Hildegard Knef, Arno Paulsen
Berlin 1946. Unterarzt Dr. Mertens kommt traumatisiert aus dem Krieg zurück in die zerbombte Stadt. Er teilt sich die Wohnung mit einer Künstlerin, die die politische Haft im K Z überlebte und anders als er den Lebensmut nicht verloren hat. Als er durch Zufall seinen alten Kompaniechef Hauptmann Brückner wiedertrifft und erkennt, dass dieser mittlerweile eine Fabrik besitzt und inmitten der Trümmerwelt in Reichtum und Luxus lebt, beschließt er, Brückner für seine Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen … Der erste deutsche Spielfilm nach dem Krieg, gedreht für die D E FA. Regisseur Wolfgang Staudte musste mehrere Anläufe unternehmen, bis er das Drehbuch genehmigt bekam – vor allem wollten die Sowjetbehörden nicht die Ursprungsidee realisiert haben, nach der Mertens seinen ehemaligen Vorgesetzten im Akt von Selbstjustiz erschießt.
Jetzt, in der Gegenwart des Jahres 1946, haben die Deutschen vor allem zu erkennen und zu lernen, nicht aber zu richten!
Mittwoch, 26. Oktober 2016 – 19.00 Uhr
Milo Harbich, D 1946 (DEFA), 77 Minuten Mit Ursula Voß, Fritz Wagner
Wiederaufbau der Landwirtschaft nach dem Ende des Krieges. In einem brandenburgischen Dorf übernehmen Kleinbauern und Flüchtlinge den Hof eines vertriebenen Adligen und erlernen die neuen Prinzipien von Solidarität und Volkseigentum. Unter ihnen ist die aus Ostpreußen geflohene Frau Jeruscheit, deren Mann im Krieg vermisst ist und eines ihrer Kinder auf der Flucht starb. Hier in der neuen Gemeinschaft sind diese Schicksalsschläge erträglich. Selten gezeigter halbdokumentarischer Spielfilm, der dem Publikum in der SBZ den Aufbau des Sozialismus nahebringen sollte. Der Regisseur Milo Harbich war im NS -Deutschland kein unbeschriebenes Blatt – so war er u.a. Regieassistent bei Hans Steinhoff und verantwortete den Schnitt bei Hitlerjunge Quex. Dennoch erhielt er eine Arbeitserlaubnis der DEFA und wurde später sogar Leiter der Abteilung für Kulturfilme. Sein Film Freies Land scheiterte beim Publikum – möglicherweise, weil er keine schönen Illusionen bot, sondern spröde Wirklichkeit. Heute ist dieser Film nahezu vergessen, und selbst die filmhistorischen Publikationen, die ihn pflichtschuldig auflisten, widmen ihm keine über die bloße Erwähnung hinausgehende Aufmerksamkeit.
Montag, 31 Oktober 2016 – 19.00 Uhr
Eugen York, D 1948 (CCC), 85 Minuten
Mit Walter Richter, Hilde Körber, Klaus Kinski
Ein Konzentrationslager in Osteuropa in der Spätphase des Krieges. Der polnische Arzt Dr. Bronek muss für die SS die Ar- beitsfähigkeit der Häftlinge bescheinigen. Als er fünf Häftlinge für arbeitsunfähig erklärt und sie damit dem Tode weiht, verhilft er ihnen zur Flucht. Im Wald treffen die Geflüchteten auf wei- tere Menschen, die sich hier verstecken. Wem werden die »Tod- geweihten« zuerst in die Hände laufen – der Wehrmacht, der SS oder der Roten Armee? – Der große Produzent Artur Brauner, der selbst ein ähnliches Schicksal wie seine Protagonisten er- lebte und viele Angehörige in Auschwitz verlor, musste lange darum kämpfen, diesen Film drehen zu dürfen. Keines der alli- ierten Kulturbüros wollte den Stoff. So musste Brauner erst eine belanglose Komödie produzieren, um das widerwillig geneh- migte Drehbuch mit eigenem Kapital verfilmen zu können. In der Filmgeschichte hat sich dann gezeigt, dass dieser – heute fast vergessene – Film geradezu eine Ikonografie des “K Z-Films” etabliert hat . – Für die Musik zeichnete übrigens Woller verantwortlich, und damit wieder einmal einer der großen kreativen Persönlichkeiten, die ihr außerordentliches Talent den Nazis zur Verfügung stellten. So verdankt die Filmgeschichte ihm u .a . die Musik zum antisemitischen Hetzfilm Jud Süß.
Mittwoch, 2. November 2016 – 19.00 Uhr
Slatan Dudow, DDR 1949, 105 Minuten
Mit Harry Hindemith, Paul Bildt, Inge Landgut
Slatan Dudow, der 1932 mit Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt? einen der wichtigsten proletarischen Arbeiterfilme ge- dreht hat, schuf 1949 diesen Aufbau- und Trümmerfilm um eine »typische« Familie, in der alle zeittypischen Charaktere aufein- andertreffen: der die Verantwortung für die NS -Verbrechen leugnende Vater, der sich am Schwarzmarkt bereichernde Bru- der, die sich den US -Soldaten hingebende Schwester, die in Sorge sich verzehrende Mutter sowie den an die Leistungen des Sozialismus glaubenden Bruder Ernst , der schlussendlich Recht behält. – Der Film beginnt mit aufregund authentische um dann zunehmend in ein Lehrstück um zuschlagen. Die Figuren agieren exemplarisch und demonstrieren »wünschenswerte« und »unproduktive« Verhaltens weisen der Volkgenosssen, der Schluss ist eine Lobeshymne auf die Leistung eines volkseigenen Betriebes für Traktorenproduktion.
Donnerstag, 3. November 2016 – 19.00 Uhr
Mit den Professoren Jerzy Kalazny,
Amelia Korzeniewska und Bartosz Korzeniewski
Am 10. und 11. März 2015 fand unter Kieler Beteiligung an der Posener Adam-Mickiewicz-Universität mit Unterstützung des Museums des Zweiten Weltkriegs in Danzig eine Tagung zu Erinnerungsbildern des Zweiten Weltkriegs in Deutschland und Polen statt. Ziel der Veranstaltung war es, die Umgangsweisen mit der Erinnerung an Krieg und Kriegsverbrechen in Deutschland und Polen zu vergleichen, so wie sie in Literatur, Film und Museumskultur gepflegt werden. Zur Tagung ist nun eine Buchpublikation erschienen, die wir im Kino in der Pumpe im Rahmen des Nachkriegsfilm-Projektes vorstellen wollen. Wir begrüßen dazu die Herausgeber des Bandes, die Profes. Jerzy Kalazny, Amelia Korzeniewska und Bartosz Korzeniewski. Neben Vorträgen zu den Buchkapiteln wird ein Schwerpunkt des Abends sich mit dem neueren Filmgeschehen in Deutschland z um Thema Zweiter Weltkrieg befassen – Eintritt frei.
Freitag, 4. November 2016 – 19.00 Uhr
Peter Lorre, BR D 1951, 98 Minuten Mit Peter Lorre, Karl John
In der NS -Zeit ist Dr. Rothe ein für die Nazis wichtiger Forscher. Als seine Verlobte seine Arbeiten ausspioniert, ermordet er sie im Zorn. Doch als kriegswichtiger Wissenschaftler entgeht er einer Verurteilung. Nach dem Krieg trifft er einen ehemaligen Kollegen wieder, der ihm im Prozess zur Seite stand. Doch während Rothe immer noch unter der Schuld leidet, muss er erkennen, dass andere Alt-Nazis viel weniger Skrupel haben. So wird er erneut zum Mörder … Peter Lorre stand zu Beginn der 1930er am Anfang einer ganz groß en Filmkarriere; seine ergreifende Darstellung des psychopathischen Mörders in Fritz Langs M machte ihn über Nacht bekannt. Mit der Machtergreifung musste er dann Deutschland verlassen – und kehrte einem Land dem Rücken, in dem seine Darstellung des Mörders in M fortan als Exempel für die verbrecherische Psyche des Juden galt. Er fasste Fuß in Hollywood und konnte in bedeutenden Nebenrollen in Casablanca oder Arsen und Spitzenhäubchen Akzente setzen, ebenso bekam er eine eigene B-Reihe um die Figur des Mr. Moto. Dennoch zog es ihn in seine Heimat zurück, wo er mit viel persönlichem Engagement Der Verlorene realisierte. Aber dieses Herzensprojekt scheiterte – der Film blieb von der Presse missverstanden und vom Publikum ignoriert…
Sonntag, 6. November 2016 – 17.00 Uhr
Bernhard Wicki, BR D 1959, 98 Minuten
Mit Günter Pfitzmann, Volker Lechtenbrink, Fritz Wepper, Mi chael Hinz
Bernhard Wickis hochdekoriertes Kriegsdrama über den Wahn sinn einiger Volkssturm-Jungs: In einer Kleinstadt irgendwo im Westen Deutschlands bereitet man sich langsam auf das Ende des Krieges vor – und das bedeutet hier, dass die Amerikaner vom Rhein her kommen werden. Der Gauleiter packt schon mal seine Habe zusammen, die Truppe aber macht noch einmal mobil: der Jahrgang der nun 16-Jährigen wird eingezogen. Verzweifelt versucht der Lehrer, die kriegsbegeisterten Jungs nicht einziehen zu lassen. Doch Befehl ist Befehl. Ein Unteroffizier versucht, die Jungs zu schützen, indem er ihnen den strategisch unsinnigen Befehl erteilt, die Brücke des Örtchens zu »verteidigen.« Doch die Jungs nehmen ihren Auftrag sehr ernst – denn tatsächlich rücken Panzer an und werden von den frisch gebackenen Soldaten erbittert bekämpft. – Wickis erschütternder Spielfilm gilt als Meisterstück des westdeutschen Nachkriegsfilms und wurde Generationen von Schülern im Rahmen von Geschichtslektionen vorgeführt. Aus heutiger Sicht ist dies kein Wunder, denn der Film bietet vor allem die Möglichkeit, sich mit den vielen Kriegsopfern zu identifizieren, die als “undschuldige Verführte” am nationalsozialistischen Kriegstreiben zwar Anteil haben, aber keine Schuld im engeren Sinne.
Mittwoch, 9. November 2016 – 17.00 Uhr
Wolfgang Staudte, BR D/Jugo 1964, 92 Minuten Mit Götz George, Hans Nielsen, Rudolf Platte
Der Krieg liegt 20 Jahre zurück, den (West-)Deutschen geht es gut, sie genießen ihren Wohlstand. Ein Männergesangsverein reist ins schöne Urlaubsland Jugoslawien. Ihr Bus bleibt in einem Dorf liegen, aber die Dorfbewohner – fast nur Frauen – verweigern den Deutschen die Hilfe. Wie sich zeigt, haben Wehrmachtssoldaten in diesem Dorf damals ein Massaker veranstaltet und alle Männer getötet … Unermüdlich hat Wolfgang Staudte mit seinen Filmen die deutsche Vergangenheit in oftmals bitterbösen Zuspitzungen aufgearbeiten. Herrenpartie setzt hier ein besonderes Ausrufungszeichen.