Montag, 12. November 2018

Der 9. November in der deutschen Geschichte

Kaum ein Datum hat die deutsche Geschichte und Erinnerungskultur so sehr geprägt wie der 9. November. Das bestätigte auch der große Andrang im Landeshaus Kiel: Über 200 Gäste erschienen zur Vortragsreihe über die zentralen Ereignisse: Die Novemberrevolution 1918/19, der Hitler-Putsch 1923, die Reichspogromnacht 1938 sowie die Öffnung der Berliner Mauer 1989.

Die ersten drei Vorträge widmeten sich den einzelnen Ereignissen im Detail. Der Geschichtsdidaktiker Prof. Dr. Karl Heinrich Pohl beschäftigte sich mit der Novemberrevolution und regte das Publikum dazu an, sich selbst ein Urteil über den Erfolg der Revolution zu bilden. So resümierte Pohl zwar, dass die Novemberrevolution an der Oberfläche des politischen Systems Veränderungen hervorgebracht habe. Der Kern der alten Ordnung sei allerdings erhalten geblieben, stellte der Historiker fest.

Dr. Harald Schmid von der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten befasste sich mit der Geschichtsrezeption der Reichspogromnacht. Obwohl die Verbrechen in den Tagen um den 9. November 1938 seit langem das „herausragende Datum des Gedenkens“ seien, machte Schmid deutlich, seien sie „über Jahrzehnte hinweg bagatellisiert“ worden. Er unterstrich dies unter anderem anhand der vorherrschenden Ikonografie: Bilder von brennenden Synagogen und zerstörten jüdischen Geschäften sind häufige Bildmotive in der historischen Aufarbeitung. Dabei wird häufig unterschlagen, dass Sachbeschädigung nicht das Ziel der Nationalsozialisten war. Die Gewalttaten zerstörten hauptsächlich Menschenleben.

Auch Dr. Anna Kaminsky, Geschäftsführerin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, beschäftigte sich mit Ikonografie und Symbolik. Unter der Titelfrage „Brauche ich die Mauer, um zu wissen, wer ich bin?“ beschäftigte sich ihr Vortrag mit der friedlichen Revolution von 1989. Mit umfangreichem Bildmaterial unterstrich sie, wie verschiedene Stereotype eines „Ost-“ und eines „Westdeutschen“ sich auch nach 1989/90 halten konnten. Unter großem Beifall betonte Kaminsky am Ende ihres Vortrages, sie verzichte mittlerweile auf diese Unterscheidung.

Im letzten Vortrag des Abends nahm Prof. Dr. Karl-Heinz Breier die vorangegangenen Themen als Anlass, um den Zusammenhang zwischen Freiheit und dem Gelingen einer Republik zu verdeutlichen. Unter Rückgriff auf die politische Theorie von Montesquieu, Tocqueville und Arendt verdeutlichte er: „Freiheit meint nicht nur die Freiheit von Zwang, sondern auch die Möglichkeit, selbst handeln zu können.“ Dies sei letztlich das, was moderne Demokratien ausmache: „Der Kern des Westens ist nicht etwa der Konsum. Sondern der Anspruch, dass Menschen in Freiheit sich selbst regieren.“  

Die Veranstaltung wurde vom Landesbeauftragten für politische Bildung organisiert und vom Offenen Kanal Kiel aufgezeichnet. Die Aufnahme steht in Kürze in der Mediathek des Offenen Kanals bereit.