Der 3. Mai wird ein ereignisreicher Tag. In den Morgenstunden erreicht Hitler- Nachfolger Dönitz mit seinem Gefolge die Marineanlagen in Mürwik. Gegen 10 Uhr nimmt er seine Arbeit im Kommandogebäude auf. Zur selben Zeit beginnt man im Polizeipräsidium und in der Marineschule SS- und Gestapo- Angehörige mit falschen Soldbüchern und Marineuniformen auszustatten.
Als Folge des nächtlichen Luftangriffs ist die Stromversorgung unterbrochen. Die Flensburger Nachrichten können daher nicht erscheinen. Am Sandberg haben einige Familien weiße Betttücher aus den Fenstern gehängt. Sie hoffen, sich hierdurch vor weiteren Angriffen zu schützen.
Gegen Mittag endet in Mürwik, nur wenige Meter von Dönitz’ Amtssitz entfernt, die Fahrt des Lastkahns Ruth. Von mehr als 1000 eingeschifften Häftlingen des KZ Stutthof bei Danzig haben nur 630 die Fahrt überlebt. Die Leichen von 26 Häftlingen werden notdürftig am Strand von Fahrensodde bestattet, nachdem man die anderen zuvor der Ostsee übergeben hat. Es treiben in diesen Tagen zahlreiche Leichen im Wasser.
Um 19.30 Uhr nimmt die großspurig ‚Reichssender Flensburg’ genannte Radiostation, die letzte der dem NS-Staat verbliebene Propagandaeinrichtung, im Postgebäude an den Norderhofenden ihren Betrieb auf. Als Erstes überträgt sie eine Ansprache von Rüstungsminister Speer. Dieser appelliert an die Deutschen, Disziplin zu bewahren und eine Lähmung des öffentlichen Lebens zu verhindern.
Am Abend treffen sich Rudolf Höß und der Chef der Inspektion der Konzentrationslager, Richard Glücks, mit Himmler. Höß schildert den SS-Chef als „frisch und munter und bester Stimmung!“. Himmler erteilt beiden den Befehl, als Unteroffiziere des Heeres getarnt über die grüne Grenze nach Dänemark zu gehen und dort unterzutauchen. Juristisch ist das Desertion in offiziellem Auftrag.
In einer nächtlichen Besprechung bestätigt Dönitz Himmler als Führer der Waffen-SS und Chef der deutschen Polizei. Inzwischen sind auch Generaloberst Jodl und der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel, in Mürwik eingetroffen.
Während die Spitze der noch von Hitler eingesetzten neuen Regierung vergleichsweise feudal in der Kommandeursvilla in Mürwik und dem Glücksburger Schloss residiert, kampiert das Fußvolk der Endlöser und Vernichtungskrieger im sogenannten „Grenzlandmuseum“, in den Kellern und auf dem Boden des Polizeipräsidiums sowie in den weitläufigen Marineanlagen in Mürwik. Am Tage treiben sich die Männer mit Dreitagebart, voll gepumpt bis unter die Haarspitzen mit Alkoholika und Narkotika in Flensburg herum. Während Dönitz und Co. an die Disziplin der ‚Volksgenossen’ appellieren, torkeln diese Repräsentanten der Herrenrasse durch die Straßen der Fördestadt, saufen bis zum Delirium im „Schwarzen Walfisch“ in der Angelburger Straße und treiben es mit Wehrmachtshelferinnen in den Bunkeranlagen des Museumsberges. Von Disziplin und Ordnung keine Rede, vielmehr Untergangsstimmung, Tanz auf dem Vulkan.