Unterrichtsmaterial für die Klassenstufe 8 oder 9 (Sek.1)
Demokratie direkt vor unserer Tür!
Die politischen Entscheidungen in den Kommunen betreffen unsere unmittelbare Lebenswelt. Aufgrund dieses engen Bezugs zum persönlichen Umfeld der Schüler:innen ist Kommunalpolitik besonders geeignet, um demokratische Entscheidungsprozesse lebensnah kennenzulernen.
Das vorliegende Unterrichtsmaterial möchte den Schüler:innen die Strukturen, Akteure und Entscheidungswege kommunaler Politik nahebringen. Aber auch die Teilhabemöglichkeiten der jungen Menschen werden aufgegriffen: Werden unsere Meinungen gehört? Benötigen wir eine Jugendversammlung? An wen wenden wir uns, wenn wir politisch aktiv werden wollen? Entlang solcher Fragen werden die politischen Gestaltungsmöglichkeiten der jungen Menschen in ihren Städten und Gemeinden aufgegriffen und auf die Situation in den jeweiligen Kommunen übertragen.
Das Unterrichtsmaterial ist als Reihe konzipiert. Die Stunden bauen zwar aufeinander auf, sie können aber trotzdem einzeln unterrichtet werden. Sie finden also Material sowohl für eine ganze Unterrichtseinheit als auch für eine Vertretungsstunde.
Wenn von Politik die Rede ist, denken viele zunächst an die „großen“ Themen, die uns täglich in den Medien begegnen. Doch Politik findet im wahrsten Sinne auch direkt vor unserer Tür statt – die Kommunalpolitik.
Es ist davon auszugehen, dass die Schüler/-innen – auch aufgrund ihres Alters – wenig Kontakt mit Kommunalpolitik haben und ihnen die Aufgaben und Prozesse der Kommunalpolitik nicht bewusst sind. Diese Stunde stellt daher einen ersten Zugang zum Thema her, indem sie an die individuelle Wahrnehmung des Alltags anknüpft. Die Lernenden sollen zunächst Dinge nennen, mit denen sie in ihrer Gemeinde zufrieden bzw. unzufrieden sind.
Mitreden und Mund aufmachen! Heute darfst Du sagen, was Du denkst! In dieser Stunde hast Du die Möglichkeit, deine Verbesserungswünsche für deinen Ort zu äußern!
Wenn wir über Politik sprechen, thematisieren wir meist die großen Themen. Wir sprechen über die Globalisierung, Europa oder Angelegenheiten, die ganz Deutschland oder unser Bundesland betreffen. Die Menschen sind zufrieden oder unzufrieden mit den Entscheidungen der Regierenden oder tauschen sich über die aktuelle Situation in Deutschland und der Welt aus. Man hört Sätze wie „Die Wirtschaft wächst tüchtig weiter!“ oder „Das mit der Regierungsbildung wird noch schwierig werden!“
Unter Kommunalpolitik versteht man alle politischen Einrichtungen, politischen Prozesse und die sachlichen Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaften.
Die kommunale Selbstverwaltung wird in Deutschland durch Artikel 28 Abs. 2 GG geregelt. Im Rahmen der Kommunalwahlen werden in Schleswig-Holstein alle fünf Jahre die Gemeinde- und Kreisvertretungen durch die Bürger/innen legitimiert. Diese Stunde stellt eine exemplarische Bestandsaufnahme der Gemeindestruktur sowie der Beteiligungsmöglichkeiten in der Gemeinde dar. Da die Art der Beteiligung aufgrund der kommunalen Selbstverwaltung im Kompetenzbereich der Gemeinden liegt, bestehen erhebliche Unterschiede von Gemeinde zu Gemeinde.
Die Politik lässt dich im Stich? Eure Interessen spielen keine Rolle in der Welt der Erwachsenen? Oder doch? Heute werfen wir einen genaueren Blick darauf.
Deutschland ist ein demokratischer Bundesstaat, was sich auch auf das Leben in der Gemeinde auswirkt. Der Begriff „Demokratie“ stammt aus dem Griechischen und beschreibt eine Staatsform, in der die Bürgerinnen und Bürger sich selbst regieren. Dabei kann man verschiedene Formen von Demokratien unterscheiden, je nachdem in welchem Maße die Bürgerinnen und Bürger mitbestimmen, mitwirken und mitgestalten.
Gemeindesteckbrief
Erarbeite auf Grundlage einer Internetrecherche einen kurzen Steckbrief für deine Gemeinde und gehe dabei auf folgende Punkte ein: Name, Einwohnerzahl, Bürgermeister/-in und Länge seiner/ihrer Amtszeit, Anzahl der Gemeindevertreter/-innen, Wahlberechtigte (Wer darf wählen?), Öffentliche Sitzungen (Wann, Wozu?)
Erster Anlaufpunkt ist der Internetauftritt der eigenen Gemeinde.
Weitere Informationen finden sich bei den dazugehörigen Ämtern.
Bei Wikipedia findet sich eine Übersicht aller Gemeinden und Ämter. Die Angaben hier sollten allerdings durch Informationen von offizieller Seite geprüft werden.
Prüfe anschließend, welche Beteiligungsmöglichkeiten es für Kinder und Jugendliche in deiner Gemeinde gibt. Schließe dich zu diesem Zweck mit anderen Klassenkamerad(inn)en, die in derselben Gemeinde leben, zusammen.
Die Gemeinden sind verpflichtet, Kinder und Jugendliche zu beteiligen. Die Art und Weise der Beteiligung ist jedoch nicht gesetzlich vorgeschrieben. Dies muss jede Gemeinde für sich ausgestalten. Finde heraus und stelle mit eigenen Worten dar, welche Beschlüsse zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen in deiner Gemeinde gefasst wurden.
In größeren Städten gibt es häufig ein Ratsinformationssystem, dort können die Entscheidungen häufig nachvollzogen werden, zum Beispiel in Rendsburg.
Gibt es ein solches System nicht, kann bei den Ämtern oder den Gemeindevertreter(inne)n persönlich nachgefragt werden.
Der Gemeinderat oder die Ratsversammlung setzt sich aus gewählten Mitgliedern zusammen und soll die Interessen der Gemeindebevölkerung vertreten.
Die Gemeindevertretung entscheidet über die politischen Ziele der Gemeinde, fasst Beschlüsse und überwacht die Verwaltung, ob diese die gemachten Vorgaben ausführt. Die Arbeit der ehrenamtlichen Gemeindevertreter/-innen findet häufig in Fachausschüssen statt. Es sollen in persönlicher Begegnung oder durch die zur Verfügung gestellten Videos exemplarisch die personelle Zusammensetzung der Vertretungen, die Zuständigkeitsbereiche, das Wahlrecht und die individuellen Motive der Kommunalvertreter/-innen für ihre Arbeit analysiert werden.
Kinder an die Macht! Woher wollen die Gemeindevertreter wissen, was wir wollen? Deshalb heißt es mitreden und mitmachen! Aber wie? Wirf einen Blick auf deine Möglichkeiten!
Für die wichtigen Entscheidungen sind immer die Gemeindevertretungen zuständig. Die Gemeindevertretung muss darüber Beschlüsse fassen. Wichtige Entscheidungen sind alle grundsätzlichen Themen, wie zum Beispiel langfristige Planungen für die Gemeinde. Hierzu gehört der Flächennutzungsplan, in dem festgelegt wird, in welcher Weise das Gemeindegebiet genutzt werden darf (zum Beispiel zum Bauen von Wohnungen, zur Gewerbeausübung, zu Sport- und Naherholungszwecken). Weitere wichtige Planungen sind die Schulentwicklungsplanung, die Verkehrsplanung, die Planung von Kindergärten, die Naturschutzplanung und Umweltplanungen.
Interviews
Interview mit Stefan Kruber Mitglied der Kieler Ratsversammlung
Interview mit Anja Ilgenstein Mitglied der Rendsburger Ratsversammlung
Interview mit Gesa Fink und Hartmut Hampel Bürgermeisterin der Gemeinde Hohenfelde Mitglied der Hohenfelder Gemeindevertretung
Interview mit Andreas Vollstedt Mitglied der Rendsburger Ratsversammlung
Interview mit Martina Baum Mitglied der Kieler Ratsversammlung
Interview mit Christina Musculus-Stahnke Mitglied der Kieler Ratsversammlung
Der Gemeinderat ist die politische Vertretung der Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde. Ehrenamtliche Bürgermeister/-innen gehören den Gemeindevertretungen an. Hauptamtliche Bürgermeister/-innen in größeren Gemeinden oder Städten leiten die Verwaltung.
In dieser Doppelstunde rücken die Aufgaben der Bürgermeister/-innen im Vergleich zur Gemeindevertretung in den Fokus. In diesem Zusammenhang sind auch der Aufbau und die Entscheidungsfindung innerhalb der Gemeinde von Bedeutung. Mit Hilfe der (Amts-)Verwaltung sind Bürgermeister/-innen dafür verantwortlich, dass die Beschlüsse der Gemeindevertretung umgesetzt werden. In der Verwaltung werden Aufgaben erledigt, die das Leben der Menschen in der Gemeinde betreffen, von der Geburt bis zum Tod.
Doch wer hat eigentlich mehr Macht? Ist der Bürgermeister/die Bürgermeisterin die mächtigste Person in Eurer Gemeinde? Was weißt Du über dieses wichtige Amt? In dieser Stunde geht es um Macht!
In jeder Gemeinde gibt es politische Organe wie die Gemeindevertretung und den/ die Bürgermeister/-in. Diese Organe haben verschiedene Befugnisse und Aufgaben und können so auf unterschiedliche Weise Einfluss auf die Politik in der Gemeinde nehmen.
Stimmen aus der Kommunalpolitik
Interview mit Ulf Kämpfer Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Kiel
Interview mit Pierre Gilgenast Bürgermeister der Stadt Rendsburg
Interview mit Gesa Fink und Hartmut Hampel Bürgermeisterin der Gemeinde Hohenfelde Mitglied der Hohenfelder Gemeindevertretung
Interview mit Stefan Kruber Mitglied der Kieler Ratsversammlung
Interview mit Anja Ilgenstein Mitglied der Rendsburger Ratsversammlung
Interview mit Andreas Vollstedt Mitglied der Rendsburger Ratsversammlung
Interview mit Martina Baum Mitglied der Kieler Ratsversammlung
Interview mit Christina Musculus-Stahnke Mitglied der Kieler Ratsversammlung
Kinder- und Jugendparlamente stellen eine Möglichkeit der Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene dar.
Im Jugendparlament vertreten jugendliche Mitglieder die Interessen der Kinder und Jugendlichen gegenüber der Gemeindevertretung. Nicht in jeder Stadt oder Gemeinde gibt es ein solches Gremium. Aus Sicht der Jugendlichen erweitert es die Partizipationsmöglichkeiten, insbesondere wenn die Jugendvertreter/-innen Rede- und Antragsrecht im Rat haben. Für die Gemeindevertretung eröffnet eine Jugendvertretung die Möglichkeit, besser auf die Interessen der Jugendlichen – und damit auch der zukünftigen Wähler/-innen – einzugehen.
Tut der Politik in eurer Stadt einen Gefallen und verschafft euch Gehör in der Kommunalpolitik! Wie? Zum Beispiel indem ihr ein Kinder- und Jugendparlament gründet. Schaut selbst, was dafür oder dagegen spricht und was Politiker/-innen dazu sagen.
In der Stadt Rodgau wird ein Kinder- und Jugendparlament installiert, das mit Beginn des neuen Schuljahres die Interessen der Kids vertreten soll. Die Schüler von drei weiterführenden Rodgauer Schulen werden das Wahlrecht für das Kinder- und Jugendparlament bekommen und wählen aus ihrer Mitte bis zu 15 Mitglieder.
„Die Gemeinde muss bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen.“ (§ 47 f GO)
Durch unterschiedliche Vertretungsformen haben Kinder und Jugendliche in Schleswig- Holstein die Möglichkeit, sich in politische Entscheidungsprozesse einzumischen, auch wenn sie noch nicht wahlberechtigt sind. Diese Beteiligung der Kinder und Jugendlichen ist nach § 47 f der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein eine kommunale Pflicht.
„Die Politiker da oben machen eh, was sie wollen.“ Diesen Spruch hört man vielfach. Aber stimmt das denn? Weißt Du, dass Du in deiner Schule oder Gemeinde selbst mithelfen kannst, Probleme zu lösen oder eigene Ideen zu verwirklichen?
Die Gemeinde muss bei Planungen und Vorhaben, die die Interessen von Kindern und Jugendlichen berühren, diese in angemessener Weise beteiligen. Der Kinder- und Jugendbeirat Ahrensburg (KiJuB) ist eine der ältesten kommunalen Kinder- und Jugendvertretungen in Schleswig-Holstein und hat Rede- und Antragsrecht in allen politischen Ausschüssen der Stadt.
Erhöht direkte Demokratie die Legitimation der politischen Willensbildung oder sind politische Sachverhalte zu komplex, um direkt von den Bürger/-innen entschieden zu werden?
Für direkte Formen der Demokratie lassen sich Vor- und Nachteile anführen und begründen. Während auf Bundesebene immer wieder Kontroversen um die Einführung von bundesweiten Bürgerentscheiden geführt werden, existieren auf kommunaler Ebene verschiedene Instrumente direkter Beteiligung. Im Zentrum der ersten von zwei Stunden steht die Erarbeitung der Vor- und Nachteile von Bürgerentscheiden.
Sind wir Bürger/-innen nicht eigentlich die besseren Politiker/-innen? Schließlich wissen wir, was in unserem Dorf oder unserer Stadt Sache ist. Sollten daher nicht bei viel mehr Themen die Bewohnern/-innen einer Gemeinde direkt abstimmen?
Die Gemeindeordnung und die Kreisordnung geben den Wahlberechtigten das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen über Selbstverwaltungsaufgaben selbst zu entscheiden. Zu einem Bürgerentscheid kommt es entweder durch Beschluss der Gemeinde- oder Stadtvertretung beziehungsweise des Kreistages oder auf Antrag der Bürgerinnen und Bürger (Bürgerbegehren).
Politik bedeutet, gemeinsame Lösungen zu finden und Kompromisse einzugehen.
Diese Doppelstunde betrachtet in Form eines Rollenspiels die Komplexität von kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen. Als Problem stellt sich den Schüler/-innen die Abwägung zwischen Kosten und Nutzen bei der Ausweisung einer beliebten Auenlandschaft als Gewerbegebiet.
Wer entscheidet eigentlich, ob meine Lieblingsbadestelle für ein Gewerbegebiet weichen muss? Erfahre selbst in einem Rollenspiel, wie schwierig es ist, eine Entscheidung zu treffen, die Du mit gutem Gewissen vertreten kannst. Denn eins ist leider klar: Du wirst es nicht allen Seiten zu 100 % recht machen können.
In eurer Gemeinde hat ein finanzstarker Investor bekanntgegeben, dass er auf der Suche nach einer großen Fläche zur Erschließung eines Gewerbegebietes ist. Als für seine Zwecke ideal geeignet sieht er eine große Zone am Rande des Flusses in eurem Ort an.
Inzwischen haben sich die Schüler/-innen Hintergrundwissen über Akteure und Prozesse der Kommunalpolitik angeeignet und eine Entscheidungsfindung simuliert. Nun gilt es, selbst aktiv zu werden, und sich mit realen Anliegen in die Politik vor Ort einzumischen.
In der abschließenden Doppelstunde sollen die Schüler/-innen politisch tätig werden, indem sie eine politische Kampagne entwerfen. Die Stunde verfolgt das Ziel, angeeignetes Wissen anzuwenden und den zu Beginn der Unterrichtseinheit abgefragten Wünschen und Verbesserungsvorschlägen Raum zu geben.
Um Kommunalpolitik außerhalb des Schulunterrichts zu vermitteln, ist außerdem eine Arbeitshilfe für die außerschulische Jugendbildung verfügbar. Sie liegt in Druckfassung dem Unterrichtsmaterial bei und ist hier PDF-Form kostenfrei erhältlich.
Impressum
Der Landesbeauftragte für politische Bildung des Landes Schleswig-Holstein
Wir bitten um Verständnis, dass unsere Publikationen grundsätzlich nur an Bürger*innen des Landes Schleswig-Holstein abgegeben werden können. Bürger*innen anderer Bundesländer bitten wir, sich an die entsprechende Landeszentrale für politische Bildung in ihrem Bundesland zu wenden. Ausgenommen davon sind unsere selbst herausgegebenen Broschüren und Bücher